Europäisches Gesetz zu Barrierefreiheit

Von Dan Pescod, Campaigns Manager, RNIB.

Die Ratsdebatten über den Vorschlag zu einem Europäischen Gesetz zu Barrierefreiheit (im folgenden EGB genannt) gehen weiter. Diese Überlegungen finden hinter verschlossenen Türen statt. Wir haben jedoch den Eindruck, dass den Regierungen der EU das EGB unangenehm zu sein scheint. Es bedarf mehr Arbeit Seitens der EBU und unseren Freunden vom Europäischen Behindertenforum (EDF), um zu gewährleisten, dass der Rat die Wichtigkeit eines EGB sowie dessen Notwendigkeit auch richtig versteht.

Kommenden Monat wird die Slowakei die EU-Präsidentschaft übernehmen, und wir werden uns mit den Slowaken in Verbindung setzen, um sie dringend zu ersuchen, das EGB für das Verbleibende Jahr 2016 an höchste Stelle zu setzen.

Am 1. Juni wohnte die EBU einer gut besuchten Anhörung zum EGB im Europäischen Parlament bei, die die politische Gruppe der Grünen organisiert hatte. EBU-Präsident Wolfgang Angermann und Rodolfo Cattani (als Vertreter des EDF) betonten die Wichtigkeit dieses Vorschlags. Ich sprach im Plenum ebenfalls über die Verbesserungen am EGB, die wir gerne sehen würden, wie etwa die Ausweitung der abgedeckten Bereiche und Pflichtvorgaben, um die Umgebung barrierefreier zu gestalten.

Das EU-Parlament hat jetzt seine Arbeit am EGB wirklich begonnen,.

Die EBU war äußerst überrascht darüber, dass der Kulturausschuss des Parlaments eine Anzahl von Änderungen vorgeschlagen hat, die den Rahmen des EGB einengen würden. Diese Änderungen würden beispielsweise barrierefreie Fernsehübertragungen (etwa durch Audiodeskription) und E-Books vom EGB ausschließen.

Die EBU ist gegen diese Änderungen. Wir sind nicht mit dem Meinungsentwurf des Ausschusses einverstanden, der davon ausgeht, dass die Gewährleistung barrierefreier audiovisueller Mediendienste (Fernsehen usw.) eine derartige Kostenbelastung darstellt, dass dadurch die “kulturelle Vielfalt” untergraben würde. Die Kosten für Audiodeskription bei Fernsehsendungen sind jedoch gering und belaufen sich üblicherweise auf 1 % des Budgets einer Sendung.

Wir haben uns schriftlich an die Mitglieder des Kulturausschusses gewandt, um ihnen genau das mitzuteilen und uns auch mit einem wichtigen Ausschussmitglied, nämlich der Europaabgeordneten Sabine Verheyen, in Brüssel getroffen, um unsere Besorgnis zum Ausdruck zu bringen.

Auch gab es bei audiovisuellen Diensten am 25. Mai einen Vorschlag zur Überarbeitung der "Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste“ (AVMD) durch die Europäische Kommission.

https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/audiovisual-media-services-directive-avmsd

Die EBU war sehr über den Vorschlag der Kommission überrascht den Artikel über Barrierefreiheit, den die jetzige Richtlinie enthält, zu streichen (Artikel 7). Die EBU hat die Kommission darauf gedrängt, diesen Artikel zu stärken und keinesfalls darauf, ihn zu streichen!

Daher befinden wir uns in einer merkwürdigen Position voller Widersprüche. Die Kommission sagt, sie habe Artikel 7 der AVMRL deswegen gestrichen, da das EGB (vielleicht eines Tages) Barrierefreiheit abdecken werde. Der Kulturausschuss des Parlaments sagt, das EGB solle nicht die Barrierefreiheit audiovisueller Mediendienste abdecken, da diese durch die AVMDRL abgedeckt werden!!

Am 13. Juli wird der Kulturausschuss über seinen Meinungsentwurf zum EGB abstimmen, sodass die EBU sich vorher erneut mit Abgeordneten des Ausschusses treffen wird.

Am 15. Juni hatte die EBU auch ein nützliches Treffen mit Vertretern des Hauptsprechers des Binnenmarktausschusses, dem Europaabgeordneten Robert Rochefort (Frankreich, ALDE Gruppe). Wir werden sicherstellen, dass wir Herrn Rocheforts Büro dabei helfen, die Notwendigkeit eines EGB nachzuvollziehen, während die Arbeit am Gesetz weitergeht.

Einige Unternehmerorganisationen haben sich gegen ein EGB ausgesprochen, z. B. Business Europe. Die EBU hatte jedoch eine interessante Diskussion über die vorgeschlagene Richtlinie mit DigitalEurope (DE), der Organisation, die die europäische IKT-Industrie vertritt. Wir können jetzt die Argumentation von DE besser nachvollziehen. DE sagt, man unterstütze eine Art EGB, wobei sie in Wahrheit Bedenken über die meisten Bestandteile des aktuellen Vorschlags hat.

Es gibt also noch eine Menge Arbeit zu tun, bevor das EGB Realität und ein Starkes, nützliches neues Gesetz werden kann. Im Herbst beginnt der sehr arbeitsreiche Legislationsprozess im EU-Parlament, wobei es beim Binnenmarktausschuss (unter anderem) richtig zur Sache gehen wird.

Trotz der Herausforderungen und regelrechter offener Opposition aus einigen Lagern hat die EBU immer rekordverdächtige Erfolge verzeichnet, wenn es darum ging, beharrliche und leidenschaftliche Kampagnen durchzuführen. Wir wissen alle um den großen Bedarf eines EGB. Es gibt noch immer viel zu viele Barrieren in der EU für Blinde, Sehbehinderte sowie andere Menschen mit Behinderungen. Wir haben schlagende Argumente, die wir für dieses Gesetz vorbringen müssen. Die kommenden Monate sind eine wichtige Zeit, um eben dies auch zu tun!