Der internationale Onkyo Braillewettbewerb 2017

Der internationale Onkyo Braillewettbewerb ist eine weltweite Initiative, die von der Onkyo Corporation und Braille Mainichi, zwei japanische Unternehmen, die sich aktiv für die Förderung der Brailleschrift einsetzen, geplant und unterstützt wird. Die Europäische Blindenunion ist für den europäischen Zweig verantwortlich.

Für die Ausgabe 2017 des Schreibwettbewerbs gab es insgesamt 55 Beiträge von Teilnehmern aus 19 Ländern. Wie in den Jahren zuvor fiel es der Jury auch dieses Jahr schwer, die sieben Gewinner auszuwählen. Einige sehr gute Beiträge mussten dabei ausgelassen werden. Dieses Jahr brachte der Wettbewerb eine Vielzahl von Teilnehmern zusammen, die qualitativ hochwertige Beiträge lieferten und die viele Arten widerspiegelten, auf die Braille Auswirkungen auf das Leben blinder und sehbehinderter Menschen hat.

Die EBU ist stolz, Ihnen nachfolgend die komplette Liste der Gewinner bekannt geben zu dürfen.

Otsuki erster Preis:

„Braille… ein wichtiges Werkzeug für Sehbehinderte und Blinde“ von Marina Valenti, Italien

Preis für ausgezeichnete Arbeit:

Kategorie Junioren: Oleg Suvorin, Russland: Brief an Louis Braille

Kategorie Senioren: Boldizsar Szentgali-Toth, Ungarn: Hi Reni

Preis für gute Arbeit:

Kategorie Junioren:

Zuzana Fährerová, Slowakei: Punkte als bestes Geschenk?

James Scholes, Großbritannien: Ländliche Punkte

Kategorie Senioren:

Francisco Javier García Pajares, Spanien: Unglaublich, wie viele Dinge in sechs Punkte passen!

William Lyons, Schweden: Der Nachzügler

Von der EBU ausgezeichnet:

Milan Linhart, Tschechische Republik: Das Ende der Guten, alten Zeiten oder schau dich nur um und siehe

Ivana Vinko, Kroatien: Braille: Der beste Freund

OTSUKI Preisträger-Aufsatz:

Braille… Ein wichtiges Werkzeug für Sehbehinderte und Blinde

von Marina Valenti, Italien

Wieso besteht der Trend heutzutage darin, Sehbehinderten/Blinden und ihren Familien zu sagen, Braille sei altmodisch, unnötig und kompliziert? Ist Braille wirklich kein nützliches und wichtiges Werkzeug mehr für Menschen, die nur wenig oder gar nichts sehen?

Ich lebe in Norditalien, und meine Tochter kam mit einer Sehbehinderung zur Welt. Sie hat eine Zäpfchen-Stäbchen-Dystrophie, eine degenerative Augenerkrankung, und das Syndrom führt normalerweise auch zu einer schweren Hörbehinderung. Die Ärzte wiesen uns früh darauf hin, dass einer der konstruktiven Schritte darin besteht, zu gewährleisten, dass sie so schnell wie möglich die Brailleschrift erlernt. Für mich war es nur offensichtlich, dass wir genau das tun würden.

Wenn ein blindes/sehbehindertes Kind in Italien in die Vorschule kommt, bietet die Schule Assistenz von externen Beratern, die auf dem Gebiet Blindentechniken spezialisiert und vermeintliche Experten für alles sind, was zur Inklusion blinder Schüler notwendig ist. Der genaue Verantwortungsbereich dieser Person ist etwas mysteriös, aber ich dachte, dass er/sie zur Nutzung der Brailleschrift ermutigen und diese fördern würde. In Italien werden Kinder mit Behinderungen an Regelschulen durch einen Assistenzlehrer unterstützt, und Kinder mit sensorischen Einschränkungen erhalten Unterstützung durch Assistenten für selbstständiges Leben und Kommunikation. Wir hatten großes Glück, dass uns eine kompetente und talentierte Assistentin zugeteilt wurde, die nicht nur damit anfing, unserer Tochter die Brailleschrift beizubringen, sondern auch die ganze Klasse auf sehr witzige, unterhaltsame Art einbezog. Von Beginn an war aber klar, das die Spezialistin für Blindentechniken die Begeisterung der Assistentin für die Brailleschrift nicht teilte und sogar dagegen anging. Sie argumentierte damit, dass sehbehinderte Kinder dazu ermutigt werden sollten, ihren Sehrest zu nutzen und dass es psychologisch negativ und belastend für den Sehbehinderten sei, die Brailleschrift zu lernen. Die Spezialistin und die Assistentin sahen sich nicht persönlich, und wir wussten, dass die Tage der Assistentin gezählt waren. Sie verließ die Schule, bevor unsere Tochter die Grundschule beendet hatte und es gab nun niemanden mehr an der Schule, der sie weiter in Braille hätte unterrichten können. Die Spezialistin beharrte darauf, dass die Brailleschrift zu schwierig zu lernen, zu stressig, unnötig und veraltet sei und deutete an, seien zu unfaire, ehrgeizige Eltern, wenn wir von ihr erwarteten, dieses System zu lernen. Unsere Tochter lernte privat zu Hause die Brailleschrift weiter, das bedeutete aber, dass sie sie in der Schule nicht als Werkzeug einsetzen konnte. Kennt man einmal die Grundlagen der Brailleschrift, muss man sie regelmäßig verwenden, da es eine Fähigkeit ist, die Praxis und stetige Beibehaltung erfordert, wenn man mit seinen Kollegen mithalten will.

Meine Tochter ist jetzt im vorletzten Jahr der Sprachhochschule. An Regelschulen kam sie immer gut klar, weil sie klug und motiviert ist und keine kognitiven Schwierigkeiten hat. Sie kann kaum noch etwas sehen und kann auch keine vergrößerten Dokumente mehr lesen, ihr Hören ist schlechter geworden, und sie braucht jetzt auch ein Hörgerät. Sie hat Glück, dass sie so verständnisvolle, hilfsbereite Lehrer für besondere Bedürfnisse und einen sehr fürsorglichen Assistenten hat. Hätte sie Braille unter den Fingern gehabt, wäre sie jetzt viel unabhängiger. Stattdessen muss sie von vielen Menschen Unterstützt werden, um barrierefreies Schulmaterial zu bekommen.

Ich möchte mich an alle Eltern wenden, die Zweifel darüber haben, ob das Erlernen der Brailleschrift auch die Mühe wert ist. Die Eltern, denen gesagt wird, Braille sei überflüssig, sollten einmal über folgendes nachdenken:

Im Schulsystem mangelt es an qualifizierten Lehrern, Ressourcen und nötiger Zeit, um die Brailleschrift im Klassenraum zu unterrichten. In den meisten Fällen wird von der Brailleschrift abgeraten, weil Lehrer für besondere Bedürfnisse/Assistenten die Brailleschrift nicht kennen und nicht die richtigen Werkzeuge zum Arbeiten an die Hand bekommen haben. In den meisten Fällen hat man sie irgendwo auch einer Gehirnwäsche unterzogen, und sie glauben, Braille sei eine Zeitverschwendung und die Mühe nicht wert. Es ist viel einfacher, Eltern zu sagen, Braille sei altmodisch als zu rechtfertigen, die Schule oder der Dienstleister es nicht anbietet, da es ein Kostenaufwand ist.

Ich finde es verblüffend, dass jemand mit akademischem Hintergrund das Erlernen der Brailleschrift „zu schwierig“ findet. Sollten dann nicht auch Musik, Physik und Mathe für sehende Schüler vom Unterricht gestrichen werden, weil sie allgemein als zu schwierig angesehen werden?

Beim Sprachenlernen braucht man 4 Fähigkeiten: Schreiben, Lesen, Zuhören und Sprechen. Bei jeder dieser Fähigkeiten bedarf es unterschiedlicher kognitiver Aktivitäten. Wenn man eine Fremdsprache lernt, hat man gravierende Nachteile, wenn man nur das Gesprochene hört. Eine gesprochene Fremdsprache ermöglicht es einem nicht, die verschiedenen Wörter voneinander zu unterscheiden. Das Erlernen einer Fremdsprache wie Englisch kann wirklich sehr schwierig sein, weil es zwischen der Phonetik und der Rechtschreibung nur wenige Gemeinsamkeiten gibt. Da braucht man schon etwas “greifbares”, um eine neue Sprache, Rechtschreibung und Struktur organisieren zu können. Karen Wolfe von der American Foundation for the Blind berichtet:” Zuhören allein bildet nicht. Lesen und schreiben zu können hilft uns beim Kommunizieren und Denken. Ohne die Brailleschrift werden Sie nie wirklich gebildet sein”.

Die Technologie hat wahre Sprünge vollzogen, Screenreader und Rekorder ersetzen nicht die Fähigkeit, lesen und schreiben zu können. Wenn man eine Rede hält, ist Braille die einzige Möglichkeit, Gedanken auf Papier festzuhalten. Die Brailleschrift ist zum Erkennen von Etiketten und Medikamentenpackungen notwendig, beim Befolgen von Richtungsangaben in einer Stadt, zum Lesen von Speisekarten in Restaurants und so weiter.

Sehbehinderte Kinder werden dazu gezwungen, eine schlechte Haltung einzunehmen, was im Falle unserer Tochter eine schwere Skoliose verursacht hat. Überanstrengung der Augen und Kopfschmerzen sind tägliche Begleiter, und es ist herzzerreißend anzusehen, wie dein Kind zu entziffern versucht, was auf einem Bildschirm steht. Braille ermöglicht das Einnehmen einer guten Haltung, und es erlaubt ihnen, ihren Sehrest fürs Fernsehen oder andere Freizeitaktivitäten zu nutzen.

Wenn ein blindes/sehbehindertes Kind die Brailleschrift durch eine kompetente Person kennenlernt und es ihre Bedeutung versteht, ist sie weder zu schwer noch stellt sie eine Anstrengung dar. Kinder sehen sie als natürlich an. Robert Englebretson, Professor für Linguistik an der Rice University, erklärte in einer Präsentation: ”Während sehende Kinder das Lesen und Schreiben der Schwarzschrift lernten, schien es nur natürlich, ich das Lesen und Schreiben in Braille lernte.“ Englebretson spricht davon, eine Kerneinstellung zu haben, wo Braille sowohl als natürlich als auch als notwendig angesehen wird.

Blinde Menschen verdienen Chancengleichheit, und Braille bietet sie ihnen. Zuhören allein reicht nicht!

Ende.

Alle anderen Beiträge der Preisträger können Sie auf der Onkyo-Seite der EBU lesen. Die EBU möchte diese Gelegenheit nutzen, allen Gewinnern herzlich zu gratulieren und mit denjenigen zu trauern, deren Werke letztlich nicht ausgewählt wurden. Wir hoffen, dass es auch nächstes Jahr viele eifrige Wettbewerbsteilnehmer geben wird.