Blinde und Sehbehinderte können dank der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität bei Flugreisen mit ihrem Blindenführhund durch ganz Europa fliegen. Die ECAC ist, zusammen mit den nationalen Durchsetzungsbehörden der einzelnen Länder, die europäische Durchsetzungsstelle für die Verordnung.
In der Verordnung wird auf "anerkannte Assistenzhunde" Bezug genommen, es gibt jedoch keine Definition dieses Begriffs. Das Dokument Nr. 30 der ECAC enthielt vormals eine Definition, wonach ein anerkannter Assistenzhund als ein von einer Organisation zur Unterstützung einer behinderten Person ausgebildeter Hund definiert war, die Mitglied von Assistance Dogs International (ADI) und/oder der International Guide Dog Federation (IGDF) ist. Diese Definition wurde vor einigen Jahren auf Antrag eines ECAC-Mitglieds entfernt, das sie mit inländischen Regelungen für unvereinbar hielt.
Probleme auf Flugreisen mit einem Blindenführhund
- Blinden- und andere Assistenzhunde dürfen kostenlos mit ihrem Halter in der Kabine reisen. Sie benötigen einen Heimtierausweis (in dem Tollwutimpfungen und andere medizinische Behandlungen eingetragen sind) sowie einen Personalausweis. Das Flughafenpersonal kann auch ein Schreiben einer Führhundschule verlangen, in dem bestätigt wird, dass der Hund ordnungsgemäß ausgebildet ist.
- Obwohl Führhundhalter Flüge online buchen können, muss der Platz für den Führhund in der Regel separat gebucht werden. Meistens ist dazu ein intensiver Mail- oder Telefonkontakt nötig, was lange dauern und kostspielig werden kann. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet easyJet, wo eine Onlinebuchung und Sitzplatzzuweisung auch für Führhunde angeboten wird.
- Jede Fluggesellschaft hat ihre eigenen Regeln darüber, wie weit im Voraus ein Führhund anzumelden ist, um mitreisen zu können. Obwohl dies selten ein Problem darstellt, kann eine Diskriminierung des Führhundhalters im Notfall vorliegen, wenn er kurzfristig aus geschäftlichen oder familiären Gründen verreisen muss.
- Fluggesellschaften in ganz Europa arbeiten nach denselben Regeln, können diese aber unterschiedlich auslegen oder zusätzliche Regeln erfinden. Beispiele:
- Einige Fluggesellschaften erlauben nur einen Hund pro Flug, was eine Diskriminierung darstellen kann, wenn man z.B. zu einer Konferenz für Führhundhalter unterwegs ist oder wenn zwei Führhundhalter sich eine sehende Begleitperson teilen.
- In einem anderen Fall musste ein Führhundhalter aus Malta nach seinem Treffen allein in einem Hotel in Amsterdam bleiben, weil die Fluggesellschaft den Blindenführhund nicht auf einem Flug mit Zwischenlandung mitreisen ließ und er mehrere Tage auf einen Nonstop-Flug warten musste.
- Einem anderen Reisenden wurde beim Einchecken gesagt, er müsse seinem Führhund einen Maulkorb anlegen, obwohl solche Hunde nicht darauf trainiert sind, einen Maulkorb zu tragen und dies ihrer Ausbildung abträglich wäre. Als er sagte, dass er für seinen Hund nie einen Maulkorb mitgeführt habe, wurde der sehbehinderte Reisende aufgefordert, in den Läden am Flughafen nach einem Maulkorb Ausschau zu halten.
- Ein anderer Führhundhalter, der für einen 65-minütigen Flug von Amsterdam nach London eincheckte, wurde gebeten, eine Windel für seinen Führhund vorzulegen. Er war noch nie darum gebeten worden, nicht einmal auf Transatlantikflügen.
- Obwohl Flughafenpersonal und Angestellte von Fluggesellschaften geschult sind, sind nur sehr wenige tatsächlich einem Blindenhund begegnet. Sie lassen vielleicht den Passagier stehen, während sie sich zur Klärung an ihren Vorgesetzten wenden. Wenn sie die Regeln nicht kennen oder nicht korrekt anwenden, kann sich der Passagier so sehr verspäten, dass er seinen Flug verpasst.
- Durch den Brexit wird sich bis Ende 2020 für Reisen mit Führhunden zwischen Europäischen Ländern nichts ändern. Die laufenden Verhandlungen werden bestimmen, was danach geschieht.
- Malta, Finnland, Irland und Großbritannien verlangen, dass Hunde, die aus anderen Ländern einreisen, eine Wurmkur erhalten müssen. Für Reisen in und aus diesen vier Ländern untereinander ist eine Wurmkur jedoch nicht erforderlich.
Vorteile beim Reisen mit Führhunden
Angestellte von Flughäfen, Fluggesellschaften sowie Mitreisende verhalten sich dem Team aus Führhund und Halter gegenüber freundlich, wodurch das Reisen zu einem schönen sozialen Erlebnis werden kann. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass Extras, für die andere bezahlen müssen, kostenlos zur Verfügung stehen: Sitzplatzzuweisung, schnelle Sicherheit, bevorzugtes Boarding, schnelle Passkontrolle und Unterstützung durch Flughäfen. Blindenhunde scheinen keine Flugangst zu haben und sind ein Beispiel für bestes Hundeverhalten auf Reisen.
Wie gehts weiter?
Folgende Probleme müssen gelöst werden:
- Die Abgrenzung von Assistenzhunden zu Trost-, Therapie- oder Haushunden für den Zugang zu öffentlichen Räumen
- Es muss verhindert werden, dass vermeintliche Assistenzhunde Flugzeuge betreten dürfen, was in Nordamerika schon vorgekommen ist
- die hohen Standards von IGDF und ADI müssen beibehalten und gleichzeitig der Zugang für Führhunde ermöglicht werden, die anderswo ausgebildet wurden
- den Fluggesellschaften muss eine Definition des Begriffs "anerkannter Assistenzhund" und ein System zur Bewertung, Registrierung und Identifizierung dieser Hunde zur Verfügung stehen
Das zuständige Komitee innerhalb des europäischen Normungsgremiums CEN, das sogenannte CEN/TC452 "Assistenzhunde", befasst sich mit diesen Problemen. Da die Normen im Konsens entwickelt werden und die Länder sie freiwillig umsetzen, wird es noch einige Jahre dauern, bis das Projekt abgeschlossen ist. Experten wollen in Zukunft eine internationale Norm für Assistenzhunde entwickeln.
Von Judith Jones
Judith Jones ist die Exekutivdirektorin der European Guide Dog Federation und für das CEN/TC452/WG6 "Assistenzhunde - Barrierefreiheit und universeller Zugang" zuständig.
Die European Guide Dog Federation freut sich, mehr über Ihre Erfahrungen auf Flugreisen mit ihrem Führhund zu hören (gute wie schlechte) und Ihnen bei eventuellen Zugangsproblemen zu helfen.