14.-16. Juni 2019, Malmö, Schweden
Das Bild zeigt Teilnehmer der GEAR-Konferenz.
Description; Eine Gruppe Konferenzteilnehmer sitzt um mehrere Tische im Konferenzsaal, im Hintergrund sitzen drei der Organisatoren an einem Rednerpult, das EBU-Logo ist auf einem Bildschirm hinter ihnen zu sehen.
Einführung
Die GEAR-Konferenz fand im Juni in Malmö statt. Koordinator und Gastgeber war der Schwedische Blinden- und Sehbehindertenverband (SRF), mit finanzieller Unterstützung durch die Europäische Blindenunion und die Europäische Kommission als Teil des GEAR-Projekts (Sensibilisierung für Geschlechtergleichstellung ), eine auf drei Jahre angelegte Initiative, durch die innerhalb der EBU-Region mehr für Themen im Bereich Geschlechtergleichstellung sensibilisiert werden soll. Ziel der Konferenz war es, sich über Möglichkeiten auszutauschen, wie man blinde und sehbehinderte Frauen in unserer Organisation zu mehr Selbsthilfe ermächtigen kann und alle Teilnehmer dazu zu ermutigen, Geschlechtergleichstellung auf ihrer nationalen Agenda weiter oben anzusiedeln.
Bei fünfzig Teilnehmern (einschließlich 20% Männer) aus 15 Ländern gab es eine Reihe von Vorträgen, Diskussionen und Arbeitsgruppen, wodurch die Konferenz zu einem lebendigen und erfolgreichen Treffen wurde, auf dem nationale Leitungsgremien die Arbeit bei der Geschlechtergleichstellung innerhalb der EBU verbessern und blinde und sehbehinderte Frauen nützliche Beispiele, Werkzeuge, Praktiken und Taktiken für die Umsetzung in ihren jeweiligen Ländern sammeln konnten.
Die Konferenz begann am Freitag, dem 14. Juni und wurde live im schwedischen Rundfunk auf radio.srf.nu gestreamt. Maria THORSTENSSON, zweite Vizepräsidentin des Schwedischen Blinden und Sehbehindertenverbands (SRF), und Barbara MARTÍN MUÑOZ, zweite Vizepräsidentin der EBU, begrüßten die Teilnehmer. Letztere eröffnete die Konferenz mit dem Leitspruch: “Die EBU schaltet beim Kampf für Geschlechtergleichstellung einen Gang hoch.”
Nach einer kurzen Einführung widmeten sich die Teilnehmer einer Übung rund um ihren Vornamen, um das Eis zu brechen. So kamen einige dunkle und lustige Geheimnisse ans Licht und führten zu lebendigen Unterhaltungen.
Geschichte
Beim ersten runden Tisch unter dem Motto “Die Vergangenheit schätzen – die Zukunft umarmen”, der von der EBU-Generalsekretärin Maria KYRIACOU moderiert wurde, hörten wir packende Geschichten außergewöhnlicher Frauen, die den Weg für Aktionen zu mehr Geschlechtergleichstellung innerhalb der EBU und darüber hinaus geebnet haben. Kicki NORDSTROM, ehemalige Präsidentin der Weltblindenunion, Birgitta BLOKLAND, Gründerin des Frauennetzwerks der EBU und Bárbara MARTÍN MUÑOZ zeigten alle mit Geschichten auf, wie Frauen über die Jahre so organisiert wurden, dass eine starke Dynamik gegen eine doppelte Diskriminierung entstand. Kurz gesagt waren innerhalb der EBU einige Jahre nach ihrem Entstehen nur wenige Frauen vertreten, insbesondere auf Generalversammlungen und in Entscheidungsgremien. Im Ergebnis entstand eine Kommission für Frauen, 1999 wurde ein Frauennetzwerk eingerichtet “um Informationen, Erfahrungen und Ideen auszutauschen. Einander bei Fragen zu unserer Arbeit im Bereich Gleichstellung und Vielfalt zu unterstützen, zusammen Lösungen zu finden, um zusammenzuarbeiten.” Auch bot uns die GEAR-Konferenz die Gelegenheit, den 20. Jahrestag dieses Netzwerks zu feiern. Über die letzten zwei Jahrzehnte wurden innerhalb unserer Organisation und der Gesellschaft als Ganzes große Fortschritte erzielt, und doch bleiben die Geschlechter hinsichtlich ihrer Vertretung unausgeglichen (nur 4 Frauen bei insgesamt 13 EBU-Vorstandsmitgliedern) und es herrscht weiterhin eine doppelte Diskriminierung, nämlich in Bezug auf die Sehbehinderung und das Geschlecht.
GEAR-Bericht
Im Laufe des Nachmittags präsentierten Karin HJALMARSON, Gleichstellungsbeauftragte des SRF und Stefanie STEINBAUER, Beauftragte für internationale Zusammenarbeit des Blinden- und Sehbehindertenverbands Österreich, die detaillierten Ergebnisse des GEAR-Berichts. Wie nicht anders zu erwarten besagten diese, dass blinde und sehbehinderte Frauen in nationalen Gremien und leitenden Positionen immer noch unterrepräsentiert sind, innerhalb der Gesellschaft weiterhin mehr diskriminiert werden und systematisch in weniger gut bezahlte Jobs kommen.
Diesem Bericht schloss sich eine Diskussion darüber unter dem Titel an “Wie kann die EBU das Thema Geschlechtergleichstellung für blinde und sehbehinderte Frauen bei ihren Mitgliedern angehen?” Mitglieder gaben konkrete Beispiele, darunter Unterausschüsse aus den nordischen Ländern, affirmative Aktionen, die dazu ermutigen sollen, Frauen in Führungspositionen durch Netzwerke zu wählen, die Einbeziehung und Aufklärung von Männern, Sicherung von Quoten und ausgeglichene Ernennungsverfahren, um zu gewährleisten, dass die Verpflichtungen der Verfassung durchgesetzt werden.
Studien aus Norwegen
Am Samstag, den 15. Juni ging es mit Vorträgen von Unn LJØNER HAGEN, Präsidentin des Norwegischen Blinden- und Sehbehindertenverbands und ihren Kollegen los. Zunächst präsentierten sie Ergebnisse zum Thema “Geschlechterdiskriminierung: Werden blinde und sehbehinderte Frauen und Männer anders diskriminiert als andere Frauen und Männer?”
Eine Studie aus Norwegen zeigt, dass es bei der sehbehinderten Bevölkerung allgemein eine Beschäftigungsquote von 40% gibt, wobei sich mehr Frauen in prekären Situationen befinden, oft ohne die Möglichkeit zu Bildung oder Fortbildungsmaßnahmen. Weniger blinde und sehbehinderte Frauen verfügen über höhere Bildung.
Zudem besagte eine Studie zu sexueller Gewalt, dass “das Risiko, sexueller Gewalt ausgesetzt zu sein, bei sehbehinderten Frauen höher ist als in der allgemeinen Bevölkerung. Diejenigen, die ihr ausgesetzt waren, benötigen Präventivmaßnahmen sowie psychologische Betreuung.”
Die Studie finden Sie hier: https://bit.ly/2KH2S3I
Zu diesem sensiblen Thema wurde der Kurzfilm “In Plain Sight” (vor aller Augen) von Magnus Berggren gezeigt, um die extreme Verwundbarkeit zu demonstrieren, die blinde und sehbehinderte Frauen in ihrem Leben erfahren können.
#METOO
Dann ging es innerhalb der Präsentation mit einer Diskussion darüber weiter, ob die weltweite #MeToo Kampagne zu organisatorischen Veränderungen innerhalb unserer Verbände geführt hat. Man kam zu dem Schluss, dass die Kampagne tatsächlich relevant für die Behindertenbewegung und andere Verbände war. Alle EBU-Mitgliederorganisationen sind daher angehalten, interne Mechanismen zu schaffen, um Frauen gegen sexuelle und andere Arten von Belästigung zu schützen. Die EBU und ihre Mitgliederorganisationen müssen Gewalt gegen Frauen transparent angehen und sich lokal, national und auf Europäischer Ebene in die politische Debatte einschalten.
Arbeitsgruppen
Am Samstagnachmittag teilten sich die Teilnehmer in zwei Arbeitsgruppen. Am darauffolgenden Tag stellte jede Gruppe ihre Ergebnisse kurz vor.
Gruppe 1, die von Tiina NUMMI-SÖDERGREN, Projektmanagerin der Equally Unique Academy (Schweden) geleitet wurde, widmete sich dem Thema “Keiner soll auf der Strecke bleiben. Wie verwirklichen, wie darauf Einfluss nehmen und wie nachhaltige Entwicklungsziele mit den Rechten der BRK koppeln?” Der wichtigste Rat bei der Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsziele war es zu gewährleisten, dass eine behindertengerechte Perspektive verbunden mit Rechten der BRK eingebracht wird, die Nachhaltigkeit bietet. Nachhaltige Entwicklungsziele sollten dazu verwendet werden, die Interessenvertretung für die Rechte Behinderter innerhalb der EBU und auf nationaler Ebene zu stärken. Dabei soll, wie der Titel schon sagt, niemand auf der Strecke bleiben.
Gruppe 2, die von Karin BLOMSTRAND, Betriebsleiterin von Gender Equality Skåne (Schweden) geleitet wurde, befasste sich mit dem Thema “Ausbildung zukünftiger Empowerment Trainer”. Sie widmete sich vor allem der Frage, wie wichtig Intersektionalität und konkrete Aktionen in jeder Organisation sind, so z. B. das Einbeziehen von Verbündeten wie Männern, die Teil des Trainingsprozesses sein sollten.
Inspirierende Beispiele
Im Anschluss an die Workshops wurde jeder in einer Diskussionsrunde ermutigt, konstruktive Beispiele für die Stärkung und Mitwirkung von Frauen und Geschlechtergleichstellung im eigenen Land zu nennen.
Eine der wichtigsten Aussagen kam von Unn LJØNER HAGEN, die dem Publikum vom wahren Erfolg des 40%-Quotensystems in Norwegen berichtete (siehe Interviews).
Auch erfuhren wir einiges über taktile Medizinische Untersuchungen aus Österreich, eine neue Arbeit ausschließlich für sehbehinderte Frauen, und darüber, wie sie ihren außerordentlichen Tastsinn einsetzen, um Knoten in der weiblichen Brust zu erkennen und früh Krebs auf nichtinvasive Art zu entdecken.
Andere Länder berichteten über die erfolgreiche Regulierung von Redezeit, womit Frauen eine genauso lange Redezeit zugesprochen wird wie Männern.
Viele Arten affirmativer Aktionen wurden umgesetzt, um eine bessere Beschäftigung von Frauen mit Behinderungen zu fördern. Darunter etwa finanzielle Anreize und zusätzliche Bemühungen, bis ein Gleichgewicht hergestellt worden ist.
Um diese konstruktiven Beispiele zu untermauern, wurde die Dokumentation “Der Weg an die Spitze” der EBU gezeigt, die wichtige Vorbilder innerhalb der Organisation präsentiert, Frauen, die sämtliche Barrieren überwunden haben, um sich eine erfolgreiche Position zu sichern.
Fazit
Nach drei intensiven und anregenden Tagen endete die GEAR-Konferenz 2019 mit einem Appell zu Erwartungen an die EBU und konkreten Schritten innerhalb der Mitgliederorganisationen.
Außerdem wurde die Malmö-Erklärung der EBU als Referenztext für ihren Vorstand und alle Mitglieder entworfen, um sie bei der Umsetzung konkreter Maßnahmen zur Geschlechtergleichstellung innerhalb der Europäischen Blindenunion und ihrer Zweigstellen zu unterstützen.
Die Zukunft liegt darin, beide Geschlechter als gleichwertig anzusehen und die Hoffnungen der Frauen zu stärken. Indem man Geschlechtergleichstellung einbezieht, gibt man Organisationen für Blinde und Sehbehinderte einen Mehrwert. Kurz gesagt: “Bringt euch ein und schafft Chancengleichheit für Frauen!”
Valerie VIVANCOS
Beobachterin für das Büro der EBU
(Ergebnisse und Fazit der Konferenz finden Sie in der Malmö-Erklärung 2019. Blinde und sehbehinderte Frauen, die dem EBU-Netzwerk für Frauen beitreten möchten, können sich an die EBU unter ebusecretariat@euroblind.org sowie unsere Generalsekretärin Maria Kyriacou unter ebusg@euroblind.org wenden.)